Weidener Sagen

Der grüne Fleck am Zollhäusl

Beim Zollhäusel, an der Hochstraße unter dem Alten Schloss, ist ein langgestreckter grüner Rasen. Der heißt der Grüne Fleck. Dort haben sich acht Wege geteilt.

Ein junger Bauer hat einmal vom Zollhäusel aus seine Braut in Pirk besucht. Auf dem Rückweg geht er nachts um zwölf über den grünen Fleck. Da begegnen ihm die drei Fräulein vom Alten Schloss. In Leinentücher gewickelt sind sie an ihm vorbei. Gesagt haben sie nichts. Er war natürlich ganz erschrocken, aber weiter ist ihm nichts passiert.

Aber es hat viele gegeben, die von diesem Platz aus auf einen falschen Weg gekommen sind und dann tage- und nächtelang im Wald herumgeirrt sind.

So unsere Mietfrau (=Taglöhnerin). Sie hat sich überall auf den Fischerbergen gut ausgekannt, weil sie ja immer ihrem Mann - der war Holzarbeiter - das Mittagessen nachgetragen hat und Holz für den Ofen und Gras für die Geißen geholt hat. Ich war damals zehn Jahre alt, da ist sie einmal fortgegangen, Pilze suchen. Es ist Mittag geworden, sie kommt nicht, auch am Abend nicht. Ihr Mann läuft in seiner Angst in den Wald, will sie dort suchen. Er kommt wieder heim, die Frau ist nicht da. Da sehe ich die Frau, wie sie vom Heindlkeller heraufkommt zum Zollhäusel. Zu Hause hat sie dann erzählt: Ich bin zum Grünen Fleck gekommen, da haben sie (!) mich irritiert, und ich bin auf den falschen Weg gekommen und dann den Vor- und Nachmittag herumgerannt. Wie sie aus dem Wald beim Heindlkeller herausgekommen ist, hat sie die Stadt Weiden gesehen, die hat sie aber nicht erkannt, sondern hat sich gedacht: Was ist denn das für ein großes Dorf, das hab ich mein Lebtag noch nicht gesehen! Erst wie sie sich umgedreht hat und das Zollhäusel gesehen hat, hat sie sich ausgekannt und gesagt: Der damische Grüne Fleck hat mich so zerwirrt.

Ungefähr ein halbes Jahr später kommt eine Frau - sie war kurz vorher nach Tröglersricht zugezogen - leichenblass aus dem Wald: Wie ich über den Weg gegangen bin, der so grün ist, haben sie mir Sand an meine Kir(b)m (das war ein Buckelkorb) hingeschmissen. Hab ich mich umgedreht, hab niemand gesehen, bin weiter, ist das Schmeißen wieder losgegangen, und das hat nicht aufgehört, bis ich beim Zollhäusel aus dem Wald gekommen bin. Mein Vater hat lachen müssen: Das ist der grüne Platz da geht’s um!

Ein Knecht von Tröglersricht, er war in Trebsau beheimatet, hat am Sonntagnachmittag seine Leute besucht, wie das so üblich war, und ist abends um sieben zurück, weil er ja hätte füttern sollen. Er kommt an den Grünen Fleck, irrt die ganze Nacht im Wald umeinander und kommt erst am Montag früh um zehn von Schirchendorf herauf. Ich hab ihn selber gesehn. - So ist es auch noch anderen ergangen.
Ich selber bin den Weg Hunderte Male gegangen, bei Tag und bei Nacht. Ich hab nichts gesehen und nichts gehört, ich glaubte gar nicht mehr an die Geschichten. Ich war 33 Jahre alt, als ich für meinen Bruder in Bechtsrieth gedroschen habe; der war auswärts in der Arbeit. Das hat ziemlich lang gedauert, bis ich in der Nacht um elf fort bin, mit dem Radl, ohne Licht. Ich wollte nur schnell heim in mein Bett, denn ich war steinmüd, aber nicht direkt übermüdet. Wie ich an den Grünen Fleck komme, geht das Irritieren, das Z’wirren, wie die Alten gesagt haben, bei mir los. Ich wusste natürlich durch die Erzählungen, was das zu bedeuten hat. Ich bin vom Radl gestiegen und hab die große Fichte gesucht, die am Weg vom Grünen Fleck zum Zollhäusel steht. Auf einmal will es mir weismachen, ich bin auf dem falschen Weg, ich komm da nie heim. Aber ich hab mir immer gedacht, du suchst den Baum und bleibst bei dem Baum und hab kerzengrad auf den Baum geschaut, damit ich den richtigen Weg finde. Soviel hab ich aus den Erzählungen gewusst, dass die anderen immer in die Gruben runter, also links vom Weg, getrieben worden sind. Da war ich auch schon am linken Rand vom Weg und bin mit aller Gewalt nicht mehr in die Mitte gekommen. Ich hab nur gedacht, wenn’s dich übern Rangen schiebt, lässt du das Radl fallen, legst dich nieder und hältst dich fest, bis der Spuk vorbei ist. Es hat mich aber doch nicht hinuntergebracht, und ich kam an die Fichte, wo der Weg abzweigt zum Zollhaus. Dort war der Spuk vorbei. Erzählt hab ich nicht viel davon. Der eine hat gesagt: Du warst besoffen, der andere: Du fürchtest dich. Aber ich hab mir gedacht, gesehen hast du’s, und es reicht mir ein für allemal.

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